27.11.11
 Erst einmal frühstücken

Fruehmorgens im Bus von La Paz nach Sucre.Früh morgens kommen wir in Sucre an, der "weißen" Stadt, bereits 1538 von den Spaniern gegründet. Sucre ist bis heute konstitutionelle Hauptstadt des Landes Bolivien.

Kaum einer der Mitreisenden kommt nach Verlassen des Busses weiter als 20 Meter. Wir sind im Land des Simon Bolivar und starten unsere eigenen befreienden Aktivitäten. Hier und jetzt. 

Unser Hostal liegt unweit der Plaza 25 de Mayo, mitten im Zentrum der Stadt. Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es erst einmal für ein Stündchen ins Bett.

Später gehe ich noch zum Mirador de Recoleta hoch, von wo aus man einen tollen Blick auf die Stadt hat. Dort oben ist auch ein Café mit Liegestühlen, wo man so richtig schön abhängen kann.

Ich probiere dort ein bolivianisches Bier und esse eine Portion Tapas. Als ich zahlen will, gibt es ein Problem. Das kleine Lokal und vor allem der Eingang zur Küche ist komplett mit 70 bis 80 ca. 12- bis 14-jährigen Kids versperrt, die alle eine Portion Eis wollen. Wie ich erfahre, können sie im Moment nicht nach Hause, weil durch einen Generalstreik die Straße nach Potosi blockiert ist. In Bolivien leider ein normaler Zustand. Ich kann nur hoffen, dass die Straße bald wieder frei wird, schließlich ist Potosi unser nächstes Ziel.

Bevor ich unnütz im Weg rumstehe und da ich im Moment eh nicht bezahlen kann, schnappe ich mir einen Eisportionierer und teile Eis aus. Als Dank werde ich von der Wirtin auf ein Bier eingeladen. Mit einem Gemisch aus spanisch, deutsch und englisch erfahre ich, dass sie sich vor rund 10 Jahren einen Traum wahrgemacht hat und seitdem dieses Lokal betreibt. War gerade am Anfang nicht einfach, hat sich aber inzwischen bei den Studenten und den Travellern als gemütliche Kneipe herumgesprochen.

Auf zur Tanzshow

Als ich zum Hotel zurückkomme, warten bereits David aus London und John, aus einem unaussprechbaren Nest im Norden Australiens, mit einem weiteren Bierchen auf mich. Tja, man merkt, Sucre liegt auf mickrigen 2.750 Metern, also praktisch im Flachland, da kann man auch wieder mal AUnterwegs in Sucre.lkohol konsumieren.

Abends gehen wir gemeinsam in ein Restaurant mit Tanzshow. Dort erwartet uns ein leckeres Essen. Ich hatte Lomo (nicht Lama) mit verschiedenen Kartoffelsorten und einer cremigen Sauce, davor gab es eine sättigende Gemüsebrühe. Klar, die Tanzshow war touristisch, aber nicht im negativen Sinne. Die 16 Tänzerinnen und Tänzer präsentierten etliche Tänze aus dem ganzen Land mit den dazugehörigen Kostümen. War eine spektakuläre Show und sicherlich harte Arbeit für die Darsteller.

Unterwegs mit Native Speakern

Es wird Zeit, mal etwas zur Reisegruppe zu sagen. Unterwegs sind wir mit Intrepid Travel, einem australischen Unternehmen, das Büros in zahlreichen Ländern der Welt unterhält, so auch in Unterhaching bei München.

Ziel ist ein möglichst karbonfreies Reisen, nahe am Land und den Menschen. Dazu gehört, dass nach Möglichkeit Linienbusse und Bahnen verwendet werden, ausschließlich in Hotels und Gasthäusern übernachtet wird, die von Einheimischen betrieben werden. Das geht sogar so weit, dass jeder Mitreisende zwei Jutetaschen erhält, damit er der Flut der Plastikbeutel in den Geschäften trotzen kann. Außerdem kauft der Reiseveranstalter Carbonzertifikate als Ausgleich für die von uns verursachten Umweltbelastungen.

Zu dieser Art von Reisen gehViele Kirchen prägen das Stadtbild.ören dann eben auch längere Nachtfahrten mit dem Bus - tagsüber fährt auf diesen Strecken leider oft nichts.

Man ist frei, wie man seine Zeit vor Ort verbringt. Schnell finden sich ein paar Gleichgesinnte, die etwas gemeinsam unternehmen und dann gibt es auch noch den Guide, der sich in der Region gut auskennt, Tipps hat und auch mal etwas arrangieren kann. Dieser Guide sorgt auch dafür, dass wir möglichst reibungslos von A nach B kommen und vor Ort eine Übernachtung auf uns wartet.

Insgesamt sind wir zu elft unterwegs, Unser Guide, Brendail, sie feiert morgen ihren 30. Geburtstag, kommt aus Peru, fünf Mitreisende kommen aus Großbritannien, drei aus Australien, eine aus Neuseeland und ich selbst aus Deutschland; vier Männer, sieben Frauen. Die Altersspanne reicht von Mitte 20 bis Mitte 60. Die meisten haben nicht nur diesen einen Trip gebucht, John aus Australien zum Beispiel, irgendwo jenseits der 60 anzusiedeln, ist seit 2 Monaten unterwegs und hat noch zwei Monate vor sich. Er startete in Costa Rica, sein Ziel ist Rio de Janeiro.

Nachdem auf diesem Trip alle Mitreisenden Englisch als Muttersprache brabbeln, war der Einstieg für mich nicht ganz einfach. Witzigerweise verstehe ich die Australier am besten und zwei der Engländerinnen am schlechtesten, die haben einen unglaublich Slangen drauf. Tröstlich: Die Australier tun sich ebenfalls schwer...

Die ersten Tage habe ich mir verdammt schwer getan mit der Kommunikation. Teilwiese hat sich mein Gehirn einfach abgeschaltet, der Slang war einfach zu hart! In der zweiten Woche gab es keine Kommunikationsprobleme mehr. Nachdem wir etwa zwei Wochen unterwegs waren, werde ich immer häufiger gebeten, Dolmetscher zwischen den Australien und den Engländern zu spielen! Was für eine Karriere! 

28.11.2011
Wo sind die Dinos?

Unweit der Stadt hat man 1994 beim Abbau der Rohstoffe für Zement (Caliumsilikat) 65 Millionen Jahre alte Fußabdrücke entdeckt. Fußabdrücke von Dinosauriern. Und zwar nicht nur ein paar, sondern rund 5.000. Interessanterweise sind diese auf einer vertikalen Wand zu sehen, weil es in den vergangenen 65 Millionen Jahren zu erheblichen geologischen Verwerfungen gekommen ist.

Mit dem Orcko-Mobil geht es raSo ein Flugsaurier setzt schon mal Staub an, wenn er ein paar Millionen Jahre alt ist.us in den Steinbruch. Die Spuren sind schon faszinierend. Dass so viele so gut erhalten geblieben sind, ist der Tatsache zu verdanken, dass ein Vulkanausbruch dem Leben in dieser Region mit einem Schlag den Garaus machte. Zu sehen gibt es auch verschiedene Dinosaurier-Knochen und -Modelle im Maßstab 1:1. Witzig wird es, wenn ein Mitarbeiter des Parks einen Dino mit Straußenfedern abstaubt.

Mittags nehmen wir in einem Lokal eine Pastete mit Getränk zu uns. Mit 10 Bolivianos sind wir mit dabei.

Am Nachmittag besuchen wir noch den örtlichen Friedhof. Mag im ersten Moment makaber klingen, aber die Südamerikaner haben da ganz andere Wertevorstellungen. Dort oben erwartet uns erst einmal eine Schar Kinder, die Fangen spielen, Liebespärchen auf den Bänken, aber auch andächtige Männer und Frauen. Das Besondere am Friedhof: Die Gräber sind immer in fünf Etagen übereinander angelegt, bestehen jeweils aus einem Fenster, hinter dem Blumen, Erinnerungsgegenstände und anderes präsentiert werden. Da steht dann schon mal eine Bierflasche dort, ein Hühnchen-Modell oder eine Flöte.

"Faszinierend" würde Mr. Spock sagen.

Am Friedhof von Sucre.

Happy Hour

Am Nachmittag gibt es wieder Happy Hour im wunderschönen Innenhof unseres Hotels. Dort erfahren wir auch, dass die Straße nach Potosi wieder frei ist. Anstatt mit dem 5 Uhr-Bus werden wir allerdings mit drei Taxen morgen Mittag um 12:30 Uhr fahren. Ist halt doch wesentlich komfortabler und kostet auch gerade mal 15 Bolivianos pro Kopf mehr.

Zur Einstimmung auf Potosi schauen wir uns im Foyer eines Cafés den Film "Potosi - der stumpfe Glanz des Silbers" über das rund 4.000 Meter hoch gelegene Potosi an, das über 300 Jahre lang mit seinen unglaublichen Silbervorräten das spanische Kolonialreich am Laufen hielt. Eine sehr beeindruckende, gleichzeitig aber auch eine sehr deprimierende Reportage

Vor 300 Jahren war Potosi mit 200.000 Einwohnern die größte und reichste Stadt der Welt. Aber zu welchem Preis?

Vom Cerro Rico, dem Silberberg sagt man: "Der Berg, der Menschen lebend aufrisst." Über 8 Millionen Menschen (!!!) verloren in dessen Bergwerken ihr Leben, meist indigene und afrikanische Sklaven. Schichten von 20 Stunden mit anschließender 4-stündiger Pause waren die Regel. Nur mit dem Kauen von Koka ließ sich das überhaupt aushalten. Staublungen, Verschüttungen und die völlige Überarbeitung führten zum baldigen Tod der Arbeiter.

Die Minen sind längst geschlossen, der größte Teil des Silbers längst abgebaut. Es gibt allerdings etliche Kooperativen, deren Mitglieder auf eigenes Risiko in den Berg gehen. Die Schächte gehen mehrere Kilometer in den Berg hinein, mehrere hundert Meter in die Tiefe. Temperaturen von 40 oder 50 Grad sind keine Seltenheit. Viele der Männer sterben auch heute noch im Alter von 35 bis max. 45 Jahren wegen der Gifte und vor allem wegen des Staubs. Typische Todesursache ist die Silikose, eine Erkrankung, die zu Tod durch Erstickung führt.

Immer noch Sucre...

29.11.2011
Immer noch in Sucre

Nach dem Frühstück besuchen wir zwei Museen, das Museo Textil Indigenia, das einen neuen Standort hat, den (fast) niemand kennt, hier werden Indigenia-Textilien präsentiert und hergestellt, und das Museo de la Catedral, hier erfahren wir einiges über die Geschichte des Bischofssitzes Sucre.

Punkt 12:30 Uhr sind wir alle startbereit, um nach Potosi aufzubrechen. Statt des Aufbruchs allerdings die schlechte Nachricht, dass der Generalstreik fortgesetzt wird und die Straße nach Potosi und weiter zu den Salar de Uyuni wieder komplett gesperrt ist. Sch...!

Ein Treffen um 15 Uhr wird verabredet, bis dahin will Brendail möglichst viel über den Status Quo und mögliche Alternativen in Erfahrung zu bringen.

Bolivien: Überhaupt lebensfähig?

Als 1825 die Selbständigkeit ausgerufen wurde, hatte das Land 350 Jahre spanische Kolonialherrschaft hinter sich. 192 Regierungen versuchten seitdem, das Land voranzubringen oder zumindest (finanziell) sich selbst. Tatsächlich wurde das Land meist von Zinnbaronen und Großgrundbesitzern regiert. Die Nachkommen der afrikanischen Sklaven sind bis heute nicht als eigene Volksgruppe anerkannt, erst seit 2005 erkämpft sich die indigene Bevölkerung zunehmend Rechte. Seit diesem Jahr ist auch der frühere Lamahirte und Kokabauer Evo Morales (Ayma) Präsident. Wegen des Koka- Anbaus hat er sich intensiv mit der amerikanischen Regierung angelegt. Aber auch die Bevölkerung ist (wieder mal) zweigeteilt. Morales hat eine fast vorbehaltlose Unterstützung durch die indigene Bevölkerung, gerade die östliche Hälfte des Landes, unten im Amazonas-Tiefland, stellt sich aber gegen ihn. Diese Gegend ist für bolivianische Verhältnisse reich, dort wird seit einigen Jahren Erdgas gefördert.

Es gibt wenig Arbeitsplätze in Bolivien, wenige Familien dominieren immer noch das Land, die Infrastruktur ist schlecht ausgebaut, Bürokratie und Bestechung weit verbreitet.

Ein gängiges Mittel, um Forderungen durchzusetzen, sind seit eh und je Generalstreiks, verbunden mit Straßensperren. So eben auch heute. Keiner weiß, wie lange der Streik dauern wird.

Neues Reiseziel: Santa Cruz

Bei unserem Treffen um 15 Uhr beschließen wir, am Donnerstag nach Santa Cruz ins Tiefland zu fliegen, von wo aus es am Freitag mit einem anderen Flugzeug weitergeht nach Argentinien, nach Salta.

Die Entscheidung ist keinem von uns leicht gefallen, zumal uns so die Salar de Uyuni entgehen, das Highlight der Reise. Dumm gelaufen! Alles andere macht aber leider keinen Sinn.

 

Zuletzt aktualisiert: 06.01.2023 21:18:53

 


 

 

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