Am Notausgang

Mittwoch, 23.11.2011 

Der Wecker ist erbarmungslos! Gestern bin ich um 01:30 Uhr ins Bett gekommen, nachdem ich noch eine Veranstaltung in Forchheim hatte. Bin jetzt in Aschaffenburg, weiter bin ich mit dem Zug nicht mehr gekommen. Nun ist es 5:00 Uhr, der Wecker klingelt unbestechlich und unbeeindruckt vor sich hin.

Also, auf zum Zug. Pünktlich bin ich am Flughafen, bevor es dann um 8:00 Uhr in Richtung Madrid geht. Gestern Mittag hatte ich mich bei Iberia.com eingeloggt und siehe da, habe für beide Flüge heute einen Sitz am Notausgang bekommen. Nicht, dass ich Flugangst hätte, aber da ist einfach mehr Platz. Und das ist gut so, Iberia hat offenbar beschlossen, Ryan Air Konkurrenz zu machen, was Beinfreiheit und Service angeht. Beim Flug nach Madrid gibt es nichts zu trinken, außer man blecht. Nach der Landung in Madrid muss man mich aus meinem Sitz rausschneiden.

Die Pyrenäen sind schneebedeckt, auch die Berge um Madrid herum, die so um die 2.000 Meter hoch sind. Strahlender Sonnenschein erwartet uns in Madrid, das ist aber - außer einem hervorragenden Schinkenbaguette - das einzig Positive. Wie in Frankfurt muss ich auch hier per Zug zu meinem Terminal fahren, dann wird es etwas kompliziert, da nicht gerade gut ausgeschildert.

Lästig wird es allerdings, als wir über eine Stunde im metallenen Übergang zum Flugzeug feststecken. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel! Richtig "lustig" wird es, als die Sanitäter durch müssen, weil weiter vorne jemand aufgrund der Hitze zusammengeklappt ist. Als wir dann endlich an Bord kommen, alle patschnass, erfahren wir die Ursache für die Verzögerung: Die Toiletten gingen nicht. Na, das kann ja noch reizvoll werden.

Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne in fremden Ländern unterwegs bin. Vor 15 Jahren war ich zum ersten Mal mit einem Flieger unterwegs, wo jeder Gast seinen eigenen Fernseher hatte, einer Boeing 777 von United, damals ganz neu in den Dienst gestellt. Seitdem hatte diesen Service jedes Flugzeug, mit dem ich transkontinental unterwegs war. Auch ist es eigentlich Standard, dass man eine kleine Speisekarte bekommt. Nicht bei Iberia, auch wenn dies der teuerste Flug meines Lebens ist! Dafür ist es so kalt, dass die meisten Passagiere alles anziehen, was sie greifen können!

Wenigstens habe ich reichlich Platz (Beinfreiheit ca. 3 Meter), bin direkt neben der Küche- hier sind die Getränke kostenlos- und neben dem WC, das gottlob nicht mehr verstopft ist. Interessant ist, dass die Cola-Dosen am Anfang 330 ml fassen, später 250 ml, dann 200 ml und zum Schluss 150 ml. Beim Bier ist es genau umgekehrt, 200 ml (über Panama), 330 ml (über Chile) und 500 ml (über Peru).

Ich sitze am Fenster, vor mir ist eine Box mit Rettungsutensilien. Leider darf ich da meine Füße nicht drauf tun. Ja, ja, scho recht! 3x dürft ihr raten, wo meine Beine sind, wenn die Stewardessen gerade mal unterwegs sind. Und die klären mich jedes Mal wieder darüber auf, dass meine Füße runter müssen. Kann da mal nicht jemand das Licht ausmachen?

Stundenlang fliegen wir über den Urwald von Guyana und Brasilien, oft regnet es, dann gibt es hier oben Turbulenzen. Immer wieder kann man aber auch bis auf den Boden sehen. Obwohl jeden Tag Urwald in der Größe mehrerer Fußballfelder endgültig verschwindet: Es gibt ihn noch. Sogar unberührt. Von Zivilisation nichts zu sehen. Als wir den Amazonas bei Manaus überfliegen, ist bedauerlicherweise gerade wieder mal nichts zu sehen. Aber dafür etwa eine halbe Stunde später. Unglaublich, wie breit schon der junge Amazonas ist, rund 1.700 km Luftlinie vom Meer entfernt.

Die Anden bekommen wir leider nicht zu Gesicht, dafür ist der Anflug auf Lima, die peruanische Hauptstadt, spektakulär! Über dem Pazifik geht die Sonne unter, hunderttausende von Lichtern sind zu sehen. Die Landung war recht unsanft, die Maschine kam sehr schief und sehr hart am Boden auf. Die Stewardess, die mir bei der Landung gegenübersitzt, wird aschfahl im Gesicht...

Als ich meinen Rucksack habe, stellt sich die Frage, wie ich in die Stadt komme. Alle Reiseführer empfehlen, eine der drei renommierten Taxigesellschaften zu nehmen, Kosten lt. Reiseführer von 2010 rund 30 Sol, also etwa 10 Euro. Von wegen, die wollen 150 Sol. Also dann den Expressbus. Als ich bei der Info nachfrage, wo der Bus abfährt, erfahre ich, dass der Betrieb eingestellt wurde. Sch...! Da hat die Taximafia wieder mal zugeschlagen, wie damals in Cancun. Guter Rat ist teuer. Und mache etwas, das man eigentlich nicht machen sollte und spreche einen Taxifahrer im öffentlich zugänglichen Teil des Flughafens an, der mir seriös, aber nicht zu seriös erscheint. Der akzeptiert 50 Sol, also auf geht's. Ich habe dabei immer einen Blick auf die Straßenschilder und eine Hand am Türgriff, nicht dass der mich irgendwo hinnimmt, wo ich nicht hinwill.

Gottlob habe ich ihn richtig eingeschätzt und komme, nachdem wir uns bestens unterhalten haben, etwa über die peruanischen Spieler, die in der Bundesliga spielen, gut beim Hotel an. Das Hotel Kamana ist erstklassig direkt in der Altstadt gelegen, etwas einfacher, aber sauber und hat richtig Flair.

Die Plaza Mayor ist gleich um die Ecke, dort gibt es auch reichlich Restaurants. Zweifellos kann man in anderen Ecken der Stadt preiswerter essen, hier passt aber das Ambiente mit der beleuchteten Kathedrale und dem Gouverneurspalast. Kaum sitze ich, werde ich auch schon gefragt, ob ich einen Pisco Sour will. Warum nicht? Und ein Bier. Ja klar! Nach dem langen Flug habe ich mir das wohl verdient. Zum Essen gab es Fisch des Tages mit Kartoffeln, dazu gegrillte Maiskörner. Aber nicht irgendwelche Kartoffeln, schließlich sind wir hier im Mutterland der Knolle. Die Teile sind etwa 30 cm lang und leicht rötlich, schmecken absolut lecker. Hauptsache CPF-zertifiziert. CPF? Cook it, peel it, or forget it!

Jetzt bin ich aber 22 Stunden auf den Beinen, Zeit fürs Bett, trotz Beinfreiheit im Flieger konnte ich dort kaum schlafen, nicht zuletzt, weil ich noch nie in so unbequemen Sitzen saß, bei denen mir die Kopfstütze gerade mal bis zum Hals ging. Mein Tipp: Wer nach Südamerika fliegt, sollte eine andere Gesellschaft wählen, auch wenn Iberia das größte Angebot hat!

Unterwegs in Lima

Donnerstag, 24.11.2011 

12 Stunden Schlaf tun gut. Ein überraschend reichhaltiges Frühstück mit erstklassigem Kaffee und Rührei stärkt mich für meine Stadtbesichtigung.

Die führt mich erst einmal wieder zur Plaza Mayor. Alles frisch saniert, erst heute fällt mir auf, wie sauber alles ist und in welch gutem Zustand die Gehsteige sind - das hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Auch ist die hohe Polizeipräsenz auffallend. Man fühlt sich sicher hier.

Lima ist keine Stadt der großen Highlights, für einen Tag gibt es aber viel Interessantes zu sehen. Am Platz findet eine Demonstration statt, viele Schülerinnen in Schuluniform oder in Inka-Tracht demonstrieren, so wird mir erklärt, für bessere Bildungsbedingungen.

Der schachbrettartige Grundriss der Altstadt verwirrt zeitweise etwas. Ich will zum Convento de San Franceso, laufe aber glatt um 90 Grad versetzt los. Aber es gibt ja genug Leute, die man fragen kann und die mich wieder auf den richtigen Kurs schicken.

Das Kloster ist toll, Weltkulturerbestätte. Besonders beeindruckend bis verstörend zugleich sind die Katakomben, wo zu Anfangszeiten der Kolonialzeit mehrere tausend Menschen begraben wurden. Aber nicht so, wie man es erwarten würde, jeder einzeln. Stattdessen wurden immer die gleichen Knochen von Hunderten von Menschen zusammengelegt. Also Oberarmknochen auf einen großen Haufen, Schädel auf einen anderen. Etwas irritierend...

Schade, dass man hier nirgends Fotos machen darf, auch nicht oben im Hof.

Vor dem Hof spricht mich ein Peruaner an, wirbt für ein Abendessen mit klassischer Musik und Tanz. Ich erfahre von ihm, dass er vor drei Jahren schon mal auf Europatour war und kommendes Jahr für zwei Monate wieder in Fußgängerzonen spielen wird. Er erhält dabei vom peruanischen Fremdenverkehrsamt eine Anschubfinanzierung, weil damit auch für das Reiseland Peru geworben werden soll.

Es ist heiß in Lima, so gönne ich mir einen Friseurbesuch, in Deutschland bin ich nicht mehr dazu gekommen. Für 15 Sol fühle ich mich so richtig befreit. Nachher mache ich noch eine "Fountain Tour", da komme ich auch mal in andere Ecken der Stadt.

Fountain-Tour

Ich weiß, warum ich für solche organisierten Touren absolut nichts übrig habe. Erst werde ich mit einem Minibus nach Miraflores rausgekarrt, dauert etwa 50 Minuten, dann geht es per Bus, vorbei an einigen Villen der Reichen und Schönen zurück zum Plaza Mayor. Danke für's Gespräch! Hier haben wir 10 Minuten Aufenthalt, bevor es mit dem Bus wieder nach Miraflores geht, wo mich dann ein Shuttle wieder zurückbringen soll. Hallo!!! Geht's noch? Was bitte soll das? Auf meine Frage, wo die Fontänen sind, bekomme ich die Antwort, dass die Rezeption in meinem Hotel Mist gebaut habe und mich für "Lima by Night" gebucht hat. Stellt sich nur die Frage, woher der Guide zu diesem Zeitpunkt wusste, dass da ein Fehler passiert ist.

Langer Rede kurzer Sinn (Merke: Telefoniere als Reiseleiter nicht mit Deinem Chef auf Spanisch in der Meinung, der deutsche Tourist versteht kein Wort!): Es gab genau eine Buchung für die "Fountain Tour" (meine), 3 für die "City by night"-Tour und 8 für eine Kombinationstour. Für 10 US-$ mehr könne ich die Fountain-Tour anhängen. Aus der verbalen Schlacht gehe ich als Sieger hervor, ich muss (a) keinen Aufpreis zahlen und (b) der Bus setzt mich am Hotel ab, bevor er wieder nach Miraflores rausfährt, von wo aus mich ein Minibus wieder in die Altstadt zurückbringt.

Die Fontänen waren übrigens sehr eindrucksvoll, mindestens genauso interessant war es, die Einheimischen beim Besuch zu beobachten.

Morgen geht es dann per Flugzeug nach Bolivien weiter.

 

 

Nach oben